Rund 200 km westlich von der Hauptstadt Havanna liegt in der Provinz Pinar del Rio das Valle de Viñales. Eingeklemmt zwischen den Höhenzügen der Sierra de los Órganos und der Sierra del Rosario gehört das grüne Tal zu den eindrucksvollsten Naturlandschaften auf Kuba. Das gesamte Viñales-Tal ist heute ein ausgewiesener Nationalpark.
Valle de Viñales: Zwischen Karstbergen und Tabakplantagen
Das immergrüne Valle de Viñales gehört für die meisten Besucher zu den schönsten Landschaften auf Kuba. Riesige Königspalmen ragen aus dem rostroten Boden auf, während sich in endloser Folge die schnurgeraden Reihen der Tabakpflanzen aneinanderreihen. Noch auffälliger als die unzähligen Grüntöne in dem fruchtbaren Tal sind die bis zu 400 m hohen Karstfelsen, die an zahlreichen Stellen aus der Ebene aufragen. Sie sind mit dichter Vegetation überwuchert und bildeten einst die Säulen eines alten Höhlensystems. Aus der Ferne erinnert die Form der Karstberge an die gekrümmten Rücken von Elefanten. Wie überdimensionale Tiere scheinen die Buckel im grünen Valle de Viñales zu schlummern. Mogotes werden sie genannt und längst sind die Karstfelsen zum Wahrzeichen der gesamten Region geworden. Der kubanische Nationalpark Valle de Viñales wurde im Jahr 1999 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Entstehung der Mogotes
Die Entstehung der als Mogotes bezeichneten Karstbuckel ist auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen, die sich vor Jahrmillionen ereignete. Vor etwa 150 Millionen Jahren entstand auf dem Gebiet des heutigen Valle de Viñales eine Gebirgslandschaft, die in der Folge verkarstete. Unterirdische Flüsse höhlten die aus Kalkstein bestehende Bergregion aus und schwemmten die Sedimente in das Meer. Übrig blieben die harten Gesteinsschichten. Wie Säulen mit einem gewaltigen Durchmesser stützten und trugen sie die Decken zahlreicher Höhlen unterschiedlicher Größe. Irgendwann wurde die Last zu schwer und die Säulen konnten das Gestein nicht mehr tragen. Die Decken brachen ein und Millionen Tonnen Gestein stürzten auf den Boden. Diesen Boden bildet heute das Viñales-Tal. Die buckeligen Karstfelsen sind die ehemaligen Stützpfeiler der Höhlendecke. Wind und Wasser gruben im Verlauf der Jahrmillionen tiefe Furchen in den Kalkstein. Die höchsten Mogotes ragen bis zu 400 m hoch aus der Ebene auf.
Tabakanbau im Nationalpark Valle de Viñales
Seit Jahrhunderten wird im Nationalpark Valle de Viñales Landwirtschaft betrieben. Der Boden ist fruchtbarer als in anderen Regionen Kubas. Neben Bohnen, Mais und den kartoffelartigen Malangas wird vor allem Tabak angebaut. Glaubt man den Einheimischen, handelt es sich um den besten Tabak der Welt. Seit dem 18. Jahrhundert werden die Blätter der Tabakpflanzen getrocknet und in den Fabriken der Provinz Pinar del Rio zu Zigarren verarbeitet. Die Produkte sind zu 100 Prozent Handarbeit – von der Aussaat bis zum Rollen der Blätter. Die Tabakbauern leben in kleinen Häusern mit Strohdächern und Holzterrasse. Die meist überdachten Terrassen werden von Bananenstauden eingerahmt und die einsamen Schaukelstühle erinnern an Hollywood-Western aus den 1960er Jahren. Hier und da ragen die Gerüste zum Trocknen der Tabakblätter auf, meist beladen mit der Ernte der letzten Wochen. Ochsengespanne zuckeln über die rostroten Sandwege an kerzengeraden Königspalmen und „schwangeren“ Barrigona-Palmen vorbei. Hauptmerkmal der Letztgenannten ist die merkwürdige Verdickung auf halber Stammhöhe.
Viñales: Der Hauptort im Nationalpark
Viñales ist der gleichnamige Hauptort im immergrünen Tal. Das Städtchen hat sich zum meistbesuchten Ort in der Provinz Pinar del Rio entwickelt. Es entstand im 19. Jahrhundert, als die Tabakproduktion im Viñales-Tal ihrem Höhepunkt entgegenstrebte. Offiziell gegründet wurde die Stadt im Jahr 1879. Damals bestand die Ortschaft aus nicht viel mehr als einem Rathaus, einer Kirche, einer Schule und einer Handvoll Steinhäuser im Kolonialstil. Heute teilen sich quietschbunte Oldtimer aus der 1960er Jahren, Pferdefuhrwerke, Ochsengespanne und Reisebusse aus chinesischer Produktion die Straßen in der Innenstadt. Als Übernachtungsmöglichkeit bietet sich eine der zahlreichen Casas particulares bzw. eins der drei staatlichen Hotels an. Mittlerweile hat der Tourismus den Tabakanbau als wichtigste Einnahmequelle für die Bevölkerung abgelöst. Touristische Highlights hat die Stadt Viñales nicht zu bieten, sieht man einmal von den museumsreifen Karosserien amerikanischer Bauart ab.
Mural de la Prehistoria – Freiluftkunstwerk im Valle de Viñales
Das gigantische Freiluftkunstwerk Mural de la Prehistoria zählt zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten im Valle de Viñales. Der mexikanische Künstler Leovigildo González Morillo schuf dieses überdimensionale Gemälde im Jahr 1961. Als Leinwand diente ihm eine 120 m hohe und 180 m breite Felswand. Bereits aus großer Entfernung ist das in leuchtenden Farben erstellte Kunstwerk zu erkennen. Um das Freiluftgemälde aus der Nähe betrachten zu können, müssen Besucher ein Eintrittsgeld entrichten. Aufgrund der häufigen Regenfälle im Viñales-Tal bleichen die Farben immer wieder aus. Regelmäßig rücken aus diesem Grund Künstler an, die das riesige Gemälde auffrischen. Das Bild zeigt Motive aus prähistorischer Zeit, als noch keine Menschen in dem immergrünen Tal siedelten.
Cueva del Indio: Karsthöhle bei der Stadt Viñales
Einen Eindruck von dem riesigen Höhlensystem, das einst das Valle de Viñales bildete, erhalten Besucher in der Cueva del Indio. Die Karsthöhle liegt nördlich der Stadt Viñales und ist eine Touristenattraktion im Nationalpark. In die Höhle führt ein betonierter Weg, den die Gäste ohne Führung begehen können. Eine bizarre Welt öffnet sich vor den Augen. Die Luftfeuchtigkeit steigt wenige Meter hinter dem Eingang rapide auf Werte von beinahe 100 Prozent an. Die Kleidung klebt am Körper. Kurioserweise erinnern die Kalksteinabsonderungen an der Höhlendecke an die Form der Tabakblätter, die draußen auf großen Gestellen zum trocknen aufgestapelt werden. Nach einem kurzen Fußweg wird der Ausflug in die Cueva del Indio mit dem Boot fortgesetzt. Auf einem unterirdischen Fluss geht es wieder ins Freie und von dort zum Ausgangspunkt zurück.
Palmfarne und Baumratten
Im Nationalpark Valle de Viñales gibt es Schätzungen zufolge rund 20 endemische Pflanzenarten. Ein besonders bizarrer Vertreter der heimischen Flora ist das Palmfarn. Dabei handelt es sich um ein lebendes Fossil, das bereits vor 300 Millionen Jahren während des Karbons existierte. Bis heute hat sich die Pflanze mit den palmartigen Wedeln praktisch nicht verändert. Ein weiterer Bewohner des immergrünen Tales ist die als Jutia bezeichnete Baumratte. Die Nager können eine Größe von bis zu 50 cm erreichen und bis zu neun Kilogramm schwer werden. Entfernt sind Jutias mit Stachelschweinen verwandt, allerdings verfügen sie nicht über die stachelbewehrte Haut. Auf Kuba kommen insgesamt drei Gattungen der Baumratten vor, wobei die als Hutiaconga bezeichnete Art am weitesten verbreitet ist.